Wetterauer Zeitung – Rückblick 2010
Echzell macht gegen Rechts mobil
(dab). Der Zuzug eines polizeibekannten Rechtsextremen samt feier- und randalierfreudigen Freunden kommt bei den Gettenauern gar nicht gut an. Im Januar gründen sie die Initiative »Grätsche gegen Rechtsaußen«, nachdem ein Familienvater von Gästen des neuen Mitbürgers angegriffen worden war. Die Unterstützung ist so groß, dass die Bürgerinitiative sich im Oktober als Verein eintragen lässt.
Die »Grätsche« setzt auf Aufklärung und Zusammenhalt: Ein Info-Abend im Februar steht unter dem Motto »Wölfe im Schafspelz«, und im Juni verabschiedet die Gemeindevertretung eine Resolution gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, die auch beim »1. Echzell Festival« zum Unterzeichnen ausliegt. Mit der Veranstaltung, bei der Fräulein Wunder auftritt, will die Initiative überregional für ihr Anliegen werben. Mit Erfolg: 500 Gäste kommen.
Im Herbst zeigen auch Florstadt und Reichelsheim Flagge und treten dem Verein der Nachbarkommune bei. Jüngste Bemühung auf politischer Ebene: Echzell und Florstadt bewerben sich gemeinsam um Gelder des Bundesförderprogramms »Toleranz fördern – Kompetenz stärken«. Dadurch können Kommunen bis zu 270 000 Euro erhalten, um rechtsextreme Bestrebungen bei jungen Menschen zu bekämpfen.
Der Mann, gegen den sich die Aktionen richten, betont gegenüber der WZ: »Ich habe keine Rechten um mich herum und will von denen auch nichts hören.« Doch die Polizei bestätigt die Beobachtungen der Nachbarn: Der 25-Jährige sei dem rechten Spektrum zuzuordnen. Auf seiner Hofreite lädt er beispielsweise zu »Kammerpartys« ein – der Bezug zur Gaskammer liegt nahe.
Unbeliebt macht der Neue sich auch, als im Juli ein Video im Netz auftaucht, das zeigt, wie seine Gäste einen Nachbam von einer Leiter zerren. Der Mann wollte eine Kamera wegdrehen, die auf die Wiesengasse und seinen Hauseingang gerichtet ist. Mit Blessuren und ohne Hose flüchtet er auf sein Grundstück. Nun schaltet sich auch das Regierungspräsidium ein, weil Videoüberwachung in Gettenau inzwischen zur Tagesordnung gehört, die Überwachung des öffentlichen Raums aber verboten ist. Eine Entscheidung steht bis heute aus.
Da arbeitet das Echzeller Ordnungsamt schneller: Im Juli werden auf der Hofreite sieben Hunde sichergestellt, die als gefährlich einzustufen und nicht angemeldet sind. Ein weiteres Problem: Der Neu-Gettenauer darf die Tiere nicht halten, weil es ihm an der geforderten persönlichen Zuverlässigkeit fehlt: Er ist wegen Körperverletzung vorbestraft. Der Verlust der Hunde scheint ihn tiefer zu treffen als alle Aktivitäten der »Grätsche«: Er attackiert die Behördenmitarbeiter, die ihm seine Hunde wegnehmen.
Im September gibt’s einen weiteren Eintrag ins Vorstrafenregister: Der 25- Jährige wird nach dem Angriff auf den benachbarten Familienvater, der zur »Grätsche«-Gründung geführt hat, wegen gefährlicher Körperverletzung zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt.
© Wetterauer Zeitung 31.12.2010


