Patrick Wolf
Presseberichte

Frankfurter Rundschau – Sechs Jahre für den Schlitzer

Patrick Wolf

Das war’s fürs erste mit den „Gaskammer-Partys“ in der Wetterau: Der 27 Jahre alte „Deutschnationale“ Patrick W. aus Echzell wandert für sechs Jahre und drei Monate hinter Gittern. Vor allem wegen seiner Drogengeschäfte.

Regungslos und in sich zusammengesunken sitzt Patrick W. da, der Blick starr, die Augenbrauen hochgezogen, die Stirn in Falten. Für sechs Jahre und drei Monate soll der 27-Jährige in Haft. So lautet das Urteil gegen den als „Schlitzer“ bekannten Rechtsextremisten aus Echzell. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und vier Monaten gefordert. Die Verteidigung hatte vier Jahre und fünf Monate beantragt.

Nicht nur ein „Drogenimperium“ habe der Angeklagte in seiner Hofreite und seinem Tattoo-Studio aufgebaut, sondern auch „ein regelrechtes Zentrum für seine Gesinnungsgenossen und für seine menschenverachtenden Ansichten zum Holocaust“, resümiert der Vorsitzende Richter Dietwin Johannes Steinbach. Zudem sei er schuldig, „diverse Waffen teils erworben, teils besessen, teils überlassen“ zu haben.

44 Einzeltaten

Nach 15 Verhandlungstagen endete am Montag der Prozess am Landgericht Gießen, für den ursprünglich sieben Anklagen zusammengefasst worden waren. Die Hauptanklage warf W. knapp 60 Betäubungsmitteldelikte vor, die übrigen beinhalteten Verstöße gegen das Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz, Volksverhetzung, Körperverletzung, Beleidigung, Nötigung und Verstoß gegen das Kunsturheberrecht.

Mehrere Verfahren wurden mit der Zeit eingestellt, was aber nicht heiße, dass in diesen Fällen niemand geschädigt worden sei, so Steinbach. Es sei lediglich zur „Prozessbeschleunigung“ geschehen. Das Gesamtstrafmaß bezieht sich somit auf 44 Einzeltaten, die W. in den Jahren 2009 bis 2011 begangen hat: 40 Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, diverse zu einem Komplex zusammengezogene waffenrechtliche Vergehen, zwei Fälle von Volksverhetzung und eine Beleidigung.

„Der Angeklagte mag aus der NPD ausgetreten sein“, bemerkt Steinbach, „von der rechten Szene hat er sich jedoch nicht distanziert.“ Mit seinen „Gaskammer-Partys“, für die er in seinem Partyraum drei Duschköpfe an Deckenrohren montierte, aus denen Kunstnebel strömte, habe er „die Menschenwürde anderer angegriffen durch böswillige Verächtlichmachung“ und den Holocaust „gebilligt und verharmlost“. Fast gleichlautend äußert sich der Richter zum Auftritt des „Schlitzers“ in der Psychiatrie des Friedberger Bürgerhospitals, bei dem er seine Tätowierungen zeigte, etwa den an einem Galgen baumelnden Davidstern mit Einschusslöchern. W.s Behauptung, das Motiv stelle bloß ein historisches Ereignis dar, „hält das Gericht für abwegig und keines weiteren Kommentars würdig“.

Verteidiger will Revision prüfen

Der Hauptteil der Strafe geht jedoch auf den rasanten Aufstieg des „Schlitzers“ zum Großdealer zurück. Im August 2010 will er erstmals Drogen probiert haben, im Juli 2011 wurde er mit 4,5 Kilo Amphetamin verhaftet. Auch die Waffendelikte schlagen stark zu Buche angesichts der „Vielzahl der Waffen und der Reichweite der Vergehen bis hin zum Gebrauch von Maschinenpistolen“. Zugunsten W.s hätten sich bei der Strafbildung seine Geständigkeit und Aufklärungshilfe ausgewirkt – obwohl er in manchen Fällen versucht habe, seine Taten zu „bagatellisieren“ oder sie anderen „in die Schuhe zu schieben“.

Verteidiger Jürgen Häller will nun prüfen, ob er Revision einlegt. Sein Mandant sei „ein anderer Mensch geworden“. W.s Nachbarn und die Echzeller „Grätsche gegen Rechtsaußen“ sind „erleichtert“, wie Manfred Linss sagt. „W. wurde das Zeugnis ausgestellt, dass er rassistisch, antisemitisch und menschenverachtend ist.“ Andreas Balser von der Antifaschistischen Bildungsinitiative wertet das Urteil als „Startsignal, das Kapitel Rechtsextremismus aufzuarbeiten“. Zwar bedeute die Haft des „Schlitzers“ eine „Schwächung der Szene“. Doch diese sei „weiterhin Bestandteil der Jugendkultur in der Wetterau“.

© Frankfurter Rundschau  3.12.2012

 

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