Frankfurter Rundschau – Der Schlitzer packt aus
Das Landgericht Gießen überzieht den Neonazi Patrick W. mit Klage um Klage. Das Leben des 27-Jährigen gerät endgültig aus allen Fugen. Und deshalb redet er nun. Wie ein Wasserfall… der in einer Kloake endet.
Sein Leben sei derzeit „die absolute Katastrophe“: Haus weg, Tattoo-Studio weg, Auto weg. Nicht, dass er mit alledem momentan viel anfangen könnte im Knast, wo er seit März nach Aufhebung von zwei Bewährungsstrafen sitzt. Doch auch Freunde seien weg. Und „im Prinzip“ auch seine Frau, bedauert Patrick W., genannt „Schlitzer“, am zwölften Verhandlungstag.
Seit August muss sich der 27-jährige Neonazi aus Echzell vor dem Landgericht Gießen verantworten. Sieben Anklagen wurden für den ursprünglich auf zehn Sitzungstage angesetzten Prozess zusammengefasst. W. werden Volksverhetzung, Körperverletzung, Nötigung, diverse Verstöße gegen das Waffen- und das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie gegen das Betäubungsmittelgesetz angelastet. Inzwischen wurden sechs zusätzliche Termine anberaumt, etwa der am Montag, an dem sich W. vor allem zu Drogen- und Waffen-Vorwürfen äußerte.
Waffenkoffer als Pfand
„Ich will das jetzt alles komplett hinter mir haben“, lässt er verlauten. Ganz so umfassend fällt sein Geständnis zwar nicht aus. Doch einzelne Punkte, die W. bisher abgestritten hatte, räumt er nun ein, unter anderem den zeitweiligen Besitz und Gebrauch diverser Schusswaffen. Vor allem aber nennt er gut ein Dutzend Namen und belastet Bekannte. Das Video von seinem Nachbarn etwa, den seine Kumpels im Frühjahr 2010 verprügelt und entkleidet hatten, habe ein Freund unter „pauldeprinz“ bei Youtube eingestellt. Sein eigenes Profil laute dagegen „Schlitzer 8888“.
Der Großteil seiner Einlassung kreist indes um einen Koffer, der seinerseits offenbar durch die halbe Wetterau kreiste. Im Gepäck: eine Maschinenpistole, ein Revolver, eine Pistole, Schalldämpfer, ein Schießkugelschreiber sowie Teile einer Ceska-Maschinenpistole. Ein Bekannter, der ihm 1750 Euro schuldete, habe ihm den Koffer samt Inhalt im Winter 2009/2010 gegeben, „quasi als Pfand“, wie W. sagt. Separat habe er zudem den Rahmen der Ceska bekommen. Bis Sommer 2010 habe er alles bei sich zu Hause oder im Tattoo-Studio aufbewahrt.
„Der taucht nie wieder auf“
Dann wurde der Koffer hin und her geschoben. Mal beherbergte ihn dieser Kumpel, mal jener, mal wieder Patrick W. So auch „für drei Tage“ im Februar 2011. Bei der Gelegenheit habe ein Freund ihn aufgefordert: „Komm, wir gehen mal ballern.“ Was man dann auch im „Schießzimmer“ seiner Hofreite getan habe. Bislang hatte W. diese Episode abgestritten und wiederholt betont, dass die Polizei keine funktionstüchtigen Waffen bei ihm habe finden können.
Noch ist auch der Koffer nicht gefunden worden. Er selbst habe ihn „zum letzten Mal gesehen“, als er ihn im Februar 2011 bei einer Freundin seiner Frau deponieren ließ, sagt W. Im November 2011, W. war just aus der U-Haft entlassen worden, habe er entschieden: „Der Koffer muss endgültig weg.“ Das sei bereits geschehen, „der taucht nie wieder auf“, habe die Gattin beschwichtigt. Doch wo und wie er Koffer entsorgt worden sei, habe sie nicht verraten. Erst vorige Woche habe er erfahren, dass ihn Bekannte auf Geheiß seiner Frau vergraben hätten.
„Ich hätte ja alle ans Messer liefern müssen“, begründet W. seine späte Einlassung. Jetzt aber sei ihm das „scheißegal“. Die Staatsanwaltschaft hat auf seine Aussage hin neue Verfahren eingeleitet, erste polizeiliche Vernehmungen erfolgten am Dienstag. Für den nächsten Prozesstag am Freitag sind Zeugen nachgeladen worden, darunter auch W.’s Frau.
Amphetamin bei Oma
Überdies verblüfft der 27-Jährige am Montag mit Angaben zu seinem Dasein als Drogen-Dealer und -konsument. Er gibt zu, kiloweise Amphetamin bezogen zu haben und dafür selbst nach Holland gefahren zu sein. Treibende Kraft sei allerdings sein bereits verurteilter Kompagnon gewesen. Das Amphetamin habe er zuweilen bei der „Oma im Gemüsefach“ gelagert, zwei Kilo habe er mit Wodka und Koffeinpulver per Fleischwolf gestreckt. Er spricht über Crystal Meth, Koks und LSD, nennt Abnehmer und weitere Händler. „Die ganze Wetterau ist verseucht mit Drogendealern.“
© Frankfurter Rundschau 28.11.2012
- Frankfurter Rundschau – Rechtes Vergnügen
- Frankfurter Neue Presse – Sieben Jahre für den „Schlitzer“?
- Frankfurter Rundschau – Drogen, Waffen, Volksverhetzung
- Wetterauer Zeitung – Patrick Wolf drohen über sieben Jahre Haft
- NH24.de – Mehrjährige Haftstrafe für Neonazi gefordert
- Kreis Anzeiger – Staatsanwaltschaft fordert über sieben Jahre Haft für Echzeller
- Kreis Anzeiger – Gutachter: Eine narzisstische Persönlichkeit
- Wetterauer Zeitung – Patrick Wolf »voll schuldfähig«
- Kreis Anzeiger – Mitwisser führt die Polizei zu den Waffen
- Wetterauer Zeitung – Wolf: »Die ganze Wetterau ist verseucht von Dealern«
- Wetterauer Zeitung – Es geht um Wolfs Schuldnerliste und Vorstrafen
- Kreis Anzeiger – Einblick in Plastikbeutel und Schuldenlisten
- Wetterauer Zeitung – »Old-Brothers-Castle« nicht verkauft
- Kreis Anzeiger – Mann von Leiter geholt und die Hose ausgezogen
- Frankfurter Neue Presse – Nackter Nachbar landet im Internet
- Wetterauer Zeitung – Patrick Wolf mit Prügelvideo konfrontiert
- Frankfurter Rundschau – Braune Volksbelustigung
- Frankfurter Neue Presse – Angeklagter streitet alles ab
- Wetterauer Zeitung – Keine Kriegswaffen bei Patrick Wolf gefunden
- Wetterauer Zeitung -Geständnis: Kiloweise Drogen für den »Schlitzer« gekauft
- Wetterauer Zeitung – »Schlitzer« zeigt dem Gericht seine Tattoos
- Frankfurter Rundschau – Hitler unter der Haut
- Kreis Anzeiger – Echzeller weist jede Schuld von sich
- Frankfurter Rundschau – Vergessene Kopfnuss
- Frankfurter Rundschau – Hakenkreuze und Glatzentreffen
- Wetterauer Zeitung – Prozess: Unter Duschköpfen im »Brausebad« gefeiert?
- Frankfurter Rundschau – Das Schluchzen des Schlitzers
- Wetterauer Zeitung – Patrick Wolf will nicht zurück in die Wiesengasse
- Wetterauer Zeitung – Idee der Wolf-Clique: »Zerballern wir die Karre«
- Wetterauer Zeitung – Prozess gegen Patrick Wolf: Waffennarr ohne Waffen?
- Wetterauer Zeitung – Prozess gegen Wolf: Polizist mit Deckname »Kai« sagt aus
- Frankfurter Rundschau – Waffenreplika als Deko
- Frankfurter Neue Presse – Für den „Schlitzer“ wird‘s ernst
- Wetterauer Zeitung – Zeuge: Amphetamin wie Erdnüsse serviert
- Wetterauer Zeitung – »Schlitzer« gibt Drogengeschäfte teilweise zu
- Kreis Anzeiger – Gleich sieben Anklagen in einem Verfahren
- Kreis Anzeiger – „Gaskammer-Party“, Drogen und etliche Waffendelikte
- Wetterauer Zeitung – Prozess gegen den »Schlitzer« beginnt
- Frankfurter Rundschau – Weg mit den Nazi-Tattoos
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- Frankfurter Neue Presse – Als der „Schlitzer“ ins „Brausebad“ einlud
- Wetterauer Zeitung – »Schlitzer« Patrick Wolf ist seit Montag wieder in Haft
- Wetterauer Zeitung – Bombendrohung gegen Antifa-BI-Vorsitzenden
- Wetterauer Zeitung – Mit dem »Schlitzer« 5 Kilo Drogen gekauft
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- Frankfurter Rundschau – Neonazi in Haft
- HR Online – Neonazi wegen Drogen verhaftet
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