Frankfurter Neue Presse – Für den „Schlitzer“ wird‘s ernst

Echzeller Neonazi steht wegen einer Vielzahl von Anklagepunkten vor dem Landgericht Gießen Verletzung des Kunsturheberrechts und Verstöße gegen das Waffen- sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz zur Last. Wolf wird der rechten Szene zugeordnet, seinen Spitznamen »Schlitzer« erhielt er, weil er einen Ausländer niedergestochen haben soll. Der Prozess wird am 11. September fortgesetzt.
Unter anderem wegen Drogenhandel, Volksverhetzung, Verstoß gegen das Waffengesetz und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen muss sich seit gestern ein als „Schlitzer“ bekannter Neonazi aus Echzell vor dem Gießener Landgericht verantworten.
Gefesselt an Händen und Füßen wurde der Echzeller, der zurzeit eine Bewährungsstrafe absitzt, gestern durch einen Seiteneingang unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen in den Gerichtssaal geführt. Nach kurzer Feststellung seiner Personalien durch das Gericht verlas die Staatsanwältin Catrin Heublein eineinhalb Stunden die lange Anklageschrift.
Darin wird dem 26-Jährigen außer Drogenhandel, Volksverhetzung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen noch Körperverletzung, Nötigung, gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr sowie Verstöße gegen das Urheberrecht vorgeworfen. Insgesamt sieben Anklagen sind bei dem Kopf der rechten Truppe „Old Brothers“, der von seinen Freunden wegen eines früheren Messerangriffs auf einen Mi-granten „Schlitzer“ genannt wird, inzwischen zusammengekommen (die FNP berichtete mehrfach).
Über vier Jahre erwartet
Hauptanklagepunkte sind jedoch der Fund von vier Kilo Ampheta-minen, einem Pfund Marihuana und Hunderter Speedpillen auf seiner Hofreite in Echzell im Juli 2011. Gleich schwer wiegen die diversen Verstöße gegen das Waffengesetz. So soll der Angeklagte bei der Durchsuchung seiner Hofreite im Besitz einer Maschinenpistole, eines Revolvers, einer Pistole sowie einem Schieß-Kugelschreiber gewesen sein. Damit soll er in seinem Haus des Öfteren geschossen haben. Da der junge Mann allein für diese Gesetzesverstöße mehr als vier Jahre Gefängnis zu erwarten hat, wird gegen ihn vor dem Landgericht verhandelt.
Bei den übrigen fünf Anklagepunkten handelt es sich hauptsächlich um Volksverhetzungsdelikte. Darunter fällt auch die Einladung seiner rechtsgerichteten Freunde zu einer „Gaskammer-Party“ Ende 2009 in seinem Keller. Dabei soll er den Raum mit Totenköpfen und der Aufschrift „Duschraum“ und später „Brausebad“ versehen haben. Auch Kunstnebel soll in dieser Nacht aus Duschköpfen gewabert sein. Für die Strafverfolger ein deutlicher Hinweis auf die Vernichtungslager der Nationalsozialisten. Angeklagt wird der 26-Jährige aber auch wegen des Besitzes von Hunderten von Tattoo-Schablonen mit Hakenkreuzen, SS-Runen und Totenschädeln.
Davidstern am Galgen
Aus seiner rechten Gesinnung macht der Inhaber eines Tattoo-Studios in Büdingen und einer Hofreite in Echzell, schon lange kein Geheimnis mehr. Beispielsweise durch größere Tätowierungen auf seinen Oberarmen. Gezeigt wird dabei unter anderem ein Galgen, an dem ein Davidstern aufgehängt ist. Darunter liegen mehrere Totenköpfe.
Aufgefallen ist diese ungewöhnliche Körperbemalung Mitarbeitern des Friedberger Bürgerhospitals, in dem sich der Mann im vergangenen Jahr in der Notaufnahme behandeln lassen musste. Laut Anklage dient auch diese Tätowierung eindeutig der Aufwiegelung gegen das Judentum. Schließlich wirft die Staatsanwältin dem Angeklagten noch Nötigung und einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vor. So soll der Echzeller im April 2011 in Echzell mit seinem Auto auf den Sohn eines Nachbarn zugefahren sein. Nur ein Sprung zur Seite konnte dabei Schlimmeres verhindern.
Außerdem soll er einem anderen Nachbarn, der vom braunen Mob beim Versuch eine Überwachungskamera von seinem Grundstück abzudrehen, malträtiert und entkleidet wurde, dabei gefilmt haben und das Video anschließend ins Internet gestellt haben. Deshalb wirft ihm die Staatsanwältin Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz vor.
Am ersten Verhandlungstag hatte der Angeklagte Gelegenheit, zu allen Punkten der Anklage Stellung zu nehmen. Punkt für Punkt ging deshalb der Vorsitzende Richter Steinbach mit ihm die vorgeworfenen Straftaten durch. Der 26-Jährige zeigte sich zwar dabei in fast allen Punkten geständig, versuchte aber immer wieder seinen Tatbeitrag herunterzuspielen.
So wollte er erst sehr spät zum gewerbsmäßigen Umgang mit Drogen gekommen sein, weil zunächst der „Stoff“ nur für ihn selbst und seine Freunde bestimmt war. Allerdings nahm ihm das Gericht seine Darstellung nicht ab, sondern forderte ihn immer wieder zur Wahrheit auf. Währenddessen demonstrierte vor dem Gerichtsgebäude eine Handvoll Bürger für mehr Respekt vor Glaubensgemeinschaften und Minderheiten. Am kommenden Mittwoch wird der Prozess mit Zeugenaussagen fortgesetzt.
© Frankfurter Neue Presse 01.09.2012
- Wetterauer Zeitung – Zeuge: Amphetamin wie Erdnüsse serviert
- Wetterauer Zeitung – »Schlitzer« gibt Drogengeschäfte teilweise zu
- Kreis Anzeiger – Gleich sieben Anklagen in einem Verfahren
- Kreis Anzeiger – „Gaskammer-Party“, Drogen und etliche Waffendelikte
- Wetterauer Zeitung – Prozess gegen den »Schlitzer« beginnt
- Frankfurter Rundschau – Weg mit den Nazi-Tattoos
- Frankfurter Rundschau – Hakenkreuze und MG
- Wetterauer Zeitung – Maschinengewehr beim »Schlitzer« entdeckt
- Wetterauer Zeitung – »Schlitzer« Patrick Wolf wird in Kürze vor Gericht gestellt
- Frankfurter Neue Presse – Als der „Schlitzer“ ins „Brausebad“ einlud
- Wetterauer Zeitung – »Schlitzer« Patrick Wolf ist seit Montag wieder in Haft
- Wetterauer Zeitung – Bombendrohung gegen Antifa-BI-Vorsitzenden
- Wetterauer Zeitung – Mit dem »Schlitzer« 5 Kilo Drogen gekauft
- Wetterauer Zeitung – Verdacht auf Drogenhandel
- Bild – Hessens Obernazi in Haft
- Frankfurter Rundschau – Neonazi in Haft
- HR Online – Neonazi wegen Drogen verhaftet
- Wetterauer Zeitung – Verdacht auf Drogendeal: »Schlitzer« verhaftet
- Wetterauer Zeitung – Ermittlungen wegen »Gaskammerpartys«
- Frankfurter Rundschau – Vergasung als Partygag
- Wetterauer Zeitung – Thema Wiesengasse »Wieso greifen die Behörden nicht ein?«
- Wetterauer Zeitung – 58-Jähriger von Rechtsetxremen angegriffen


